DAS FWF-PROJEKT: P25416 „VOM PRIVATDRUCK ZUM BESTSELLER. DIE DRUCK- GESCHICHTE DES THEUERDANK“

Holzschnitt Nr. 77 des Drucks BSB Rar. 325a
1517: Kolorierter Holzschnitt Nr. 77 [BSB Rar. 325a]

Nachdem der ‚Theuerdank‘ 1517 erstmals durch Johann Schönsperger dem Älteren gedruckt wurde, entwickelte dieser Privatdruck Kaiser Maximilians, nicht zuletzt wegen seiner künstlerisch kostbaren Holzschnitte, ein derartige Anziehung, dass bis 1693 weitere elf Drucke erschienen. Betrachtet man diese zwölf Drucke näher, wird schnell ersichtlich, dass sie sich in drei einheitliche Gruppen unterteilen lassen. Die erste Gruppe umfasst die Jahre 1517, 1519 und 1537 und wird als Pfintzing-Gruppe bezeichnet, da der Probst Melchior Pfintzing von Maximilian den Auftrag erhielt, die handschriftliche Textfassung des ‚Theuerdank‘ für den abschließenden Druck zu redigieren. Deshalb ist Pfintzing, der mutmaßlich auch die Clavis entwarf, zu großen Teilen für den letztendlichen Charakter des ‚Theuerdank‘ verantwortlich. Die Drucke der Jahre 1519 und 1537 übernehmen diesen gedruckten Text des Jahres 1517, weisen jedoch in ihrer Gesamtheit als Druckwerke Unterschiede zum maximilianischen Erstdruck auf.

1537: Titelblatt [ÖNB 216814-C]
1537: Titelblatt [ÖNB 216814-C]

Nach dieser Frühphase des ‚Theuerdank‘ wanderten die qualitativ hochwertigen  Holzschnitte von Augsburg nach Frankfurt, wo der Drucker Christian Egenolff eine sprachliche Modernisierung des Textes anregte. Für diese Aufgabe konnte er den berühmten Fabeldichter und Pfarrer Burkard Waldis gewinnen. Dieser aktualisierte aber nicht nur die Sprache des Textes, sondern nahm umfangreiche Modifikationen aller Art vor, sodass die Versanzahl trotz Streichungen von 10.509 auf 12.240 anwuchs. Dadurch veränderte er den ursprünglichen Charakter des ‚Theuerdank‘ in vielerlei Hinsicht, sodass er sich im Druckjahr 1553 der interessierten Öffentlichkeit in einer neuen Gestalt präsentierte. Daraufhin wurde dieser Druck der Waldis-Gruppe noch weitere drei Mal in den Jahren 1563, 1589 und 1596 neu aufgelegt. Auch wenn der Haupttext in diesen Jahren keine nennenswerten Veränderungen erfuhr, so gleichen sich diese Drucke aufgrund ihrer Rahmentexte, Gestaltung und Intention nicht.

1563: Titelblatt [ÖNB 44.O.30]
1563: Titelblatt [ÖNB 44.O.30]

Nach einer Erscheinungspause während des 30jährigen Krieges wurde der Ulmer Formschneider und Verleger Matthäus Schultes durch einen Freund auf die Holzschnitte aufmerksam gemacht. Dadurch erkannte er die Außergewöhnlichkeit der Holzschnitte und entschloss sich zu einer weiteren Veröffentlichung. Ganz im Stile der Antithetik des Barocks entschloss er sich zu einer Konzeption, wobei die Holzschnitte auf der recto-Seite und der Text auf der verso-Seite erscheinen sollte. Anhand dieser Umsetzung wird aber auch deutlich, dass der Fokus nicht auf dem Text, sondern auf den Holzschnitten lag. In diesem Sinne ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn der Text der Pfintzing-Gruppe, an dem sich Schultes bis auf wenige Ausnahmen orientiert, von 10.509 Versen auf 8,713 Verse schrumpft. Dabei kürzt Schultes nicht nur den Text, sondern fügt auch neue Verse hinzu und modifiziert bereits vorhandene, sodass der ‚Theuerdank‘ abermals in einem neuen Lichte erscheint. Insgesamt werden fünf unterschiedliche Drucke der Schultes-Gruppe veröffentlicht, bei denen der Text jedoch keine Unterschiede aufweist und die Drucke lediglich anhand ihrer Rahmentexte unterschieden werden können. Zwei dieser Drucke erscheinen nachweislich 1679 in Ulm und Augsburg. Die Veröffentlichung des dritten Druckes muss ebenfalls zeitnah in Ulm erfolgt sein, wahrscheinlich auch im Jahr 1679, bevor im Jahr 1693 abermals zwei Drucke durch Schultes in Ulm und Augsburg veröffentlicht werden. Schultes, der in Augsburg geboren war, in Ulm aber heiratete, das Bürgerrecht erhielt und sein Verlagsgeschäft führte, verfolgte mit der gleichzeitigen Veröffentlichung seiner Drucke eine kaufmännische Strategie, wobei der Exklusivdruck seines überarbeiteten ‚Theuerdank‘ lediglich in seinem Verlagsgeschäft in Ulm zu finden war.

1679 Ulm: Titelblatt [HAB xb 4°48]
1679 Ulm: Titelblatt [HAB xb 4°48]

Wie sich jedoch die Unterschiede dieser drei Gruppen, die im Folgenden auch als A, B und C bezeichnet werden, darstellen, war eine der Leitfragen des Projekts. Über die Forschungshypothesen Modernisierung, Konfessionalisierung, Popularisierung, Distanzierung und Historisierung hinaus wurde Vers für Vers der unterschiedlichen Drucke miteinander verglichen und analysiert.

Weitere Informationen zur Methodik und Vorgehensweise entnehmen Sie bitte der Projektbeschreibung.

Die Druckgeschichte des Theuerdank